04 November 2008

Sie waren Helden...

Es war irgendwann im Herbst 1986, als mein großer Bruder eines Tages mit einer Schallplatte nachhause kam, die mich nachhaltig beeindrucken und schließlich die Bildung meines Musikgeschmacks extrem beeinflussen sollte.

Als damals knapp zwölfjähriger Steppke faszinierte mich zuallererst das Cover: Unter dem Logoschriftzug der Band sah man ein große, düsteres Feld mit weißen namenlosen Grabkreuzen; im Hintergrund schwebten zwei Hände im Himmel, von denen die Fäden eines Puppenspielers in das Gräberfeld hinabhingen. Als mein Bruder die Platte auflegte und mit einem gehörigen Stampfen eine für mich damals höllisch laute, aber unglaublicherweise extrem gefällige und melodiöse Musik aus den Boxen quoll, war es um mich geschehen.

Der Titel der Platte: Master Of Puppets. Der Name der Band: Metallica.

Für jemanden wie mich, dessen musikalischer Horizont damals nicht über David Bowie, Meat Loaf und Marillion hinausging, war “Master Of Puppets” eine Offenbarung. Die Platte bot alle Trademarks, die man heute als klassischen “Bay-Area-Trash-Metal” bezeichnet: es war schnell, es war laut, es war kompromißlos und es fehlte trotzdem nicht an Eingängigkeit. Die Texte (die ich damals ehrlich gesagt nur rudimentär wahrgenommen und verstanden habe) drehten sich laut der geduldigen Erklärungen meines Bruders um Kriegstreiberei, religiösen Fanatismus und Monster. Na damit konnte man sich doch gut identifizieren!

Ich zog mir die Platte damals auf Tape und hörte sie den lieben langen Tag (wann immer es halt möglich war) rauf und runter. Noch heute kann ich die Platte komplett aus dem Eff-Eff mitsingen.

Es kam, wie es kommen musste - nach der “Master Of Puppets” mußte Nachschub her. Es folgten erstmal (wenn ich mich recht erinnere) “South Of Heaven” von Slayer, “The Legacy” von Testament und “So far, So good, So what?” von Megadeth. Und außerdem natürlich die beiden Vorgängeralben von “Master Of Puppets”, das Metallica-Debüt “Kill ‘em all” und “Ride The Lightning”. Der Thrash-Metal hatte mich endgültig in seinen Fängen.

Schließlich lieferten Metallica mit “…And Justice For All” 1988 ihr absolutes Meisterstück ab (es gibt eine Menge Musik-Fachleute, die der Meinung sind, dies sei schon “Master Of Puppets” gewesen - ich bin anderer Meinung, werde mich da aber bestimmt nicht streiten) und feierten mit dem auf dem Film “Johnny Got His Gun” (bzw. der dem Film zugrunde liegenden Novelle von Dalton Trumbo) basierenden Anti-Kriegssong “One” ihren ersten großen kommerziellen Erfolg.

Wenn es jemals in meinem Leben jemanden gab, der dem Status “persönliche Helden” nahe kam, dann waren das Metallica zu just diesem Zeitpunkt.

MetallicaDrei Jahre später schließlich begann - zumindest von meinem Standpunkt aus - der Niedergang meiner Helden mit der Veröffentlichung des sogenannten “Black Albums”. Zwar sind einige ziemlich amtliche Songs darauf, aber man kann nicht wegdiskutieren, dass diese Platte vor allem eins war: Kommerziell. Und das ging gar nicht.

Die Herrschaften verdienten nun richtig - ich meine: RICHTIG - Kohle und verhielten sich auch so. Drummer Lars Ulrich schwebte gar in völlig überirdischen Gefilden und bezeichnete sich selbst und Gitarrist/Sänger James Hetfield in einem Interview als die “Lennon/McCartney des Heavy Metal”. Naja.

Der Niedergang setzte sich dann leider in den darauf folgenden Jahren fort: Mit “Load” (1996) und “Reload” (1997) trieben sie die Kommerzialität und leider auch die Belanglosigkeit auf die Spitze. Zwar folgte mit “S&M” 1999 ein ziemlich gutes Live-Album, das Metallica zusammen mit einem Symphonie-Orchester aufnahmen, doch “S&M” zehrte natürlich hauptsächlich von altem Songmaterial.

Tiefpunkt dieser Entwicklung war die Veröffentlichung von “St.Anger”im Jahr 2003. Die Songs sind zwar wieder deutlich roher und bieten ein paar Highlights. Von der kompositorischen Warte aus gesehen ist “St.Anger” aber nur als minderwertig zu bezeichnen, und der Sound der Platte ist ein völliges Desaster. Die Entstehung dieses Albums wurde von Metallica in dem Film “Some Kind Of Monster” dokumentiert, die die Band vor allem als eines präsentiert: völlig selbstverliebte und mit sich selbst beschäftigte Rockstar-Pussies, die über all ihrem Geld vergessen haben, wie man gute Songs schreibt.

Kommen wir jetzt mal zum Grund für diesen Blogeintrag. Jüngst veröffentlichten Metallica nun ihr neues Album “Death Magnetic”. Mit viel Tam-Tam und gehörigem Werbeaufwand (z.B. exklusive Videos, Interviews und Vorabversionen einiger Songs auf der geschützten Internet-Site “Mission Metallica”, bei der der Zugang freilich kostenpflichtig war) versprach man vollmundig die Rückkehr zum Thrash-Metal. Meine Erwartungen waren groß, meine Hoffnung eher klein.

“Death Magnetic” besticht sicherlich durch einen Sound, der wieder deutlich härter ist und sich irgendwo zwischen “Master Of Puppets” und “…And Justice For All” bewegt. Zwar sind die Songs deutlich zu basslastig und laut abgemischt, das ist aber nicht weiter schlimm. Es gibt eine Handvoll Songs, die relativ gut sind (”My Apocalypse”, “The Judas Kiss”), einige mittelprächtige (”The Day That Never Comes”) und einige, die man leider nur als kompositorischen Bodensatz bezeichnen kann (”The Unforgiven III” [schon Teil II war völlig unnötig], “Suicide & Redemption”).

Immerhin: Die Stücke sind wieder deutlich länger, break- und riffbetonter und verströmen nicht mehr den kommerziell faden Beigeschmack wie die letzten Platten. Es ist immerhin ein Anfang und es geht in die richtige Richtung. Vielleicht wird ja die nächste Scheibe wieder ein richtiger Kracher - wenn ich auch zugeben muß, dass bei Metallica in den letzten 17 Jahren das Prinzip Hoffnung ja leider eher nicht angebracht war.

Wo ich allerdings nach wie vor ein Problem mit Metallica habe, ist die kommerzielle Ausschlachtung. Natürlich gönne ich einem Künstler sein Entgeld für die von ihm erbrachte Leistung. Dennoch: die bereits weiter oben bereits angerissene Bewerbungspraxis, für ein paar Video-Schnipsel und Vorab-Auditions im Netz Geld zu verlangen, vor der Album-Veröffentlichung als “exklusiv” angebotene Box-Sets von “Death Magnetic”, die jetzt unlimitiert im freien Handel landen, sowie die exorbitant teuren Tickets für die im nächsten Jahr stattfindende Europa-Tour (in Deutschland zwischen 150 und 250 Euronen je Ticket, im Rest Europas teilweise bis 350 Euronen für einen Stehplatz(!) ) hinterlassen einen mehr als faden Beigeschmack.

Echter Rock ‘n’ Roll geht meines Erachtens nach anders.

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