22 Juli 2009

2500 Bände Perry Rhodan

Irgendwann, ich muß ungefähr 5 Jahre alt gewesen sein, habe ich im Bücherschrank meiner Mama einige Regale voll mit kleinen dünnen Heften gefunden, die ganz tolle Titelbilder hatten: da waren Raumschiffe, Astronauten, ein immer wieder auftauchendes lustig aussehendes Pelztierchen, drei-äugige schwarze Monster mit vier Armen und halt jede Menge Weltraum. Ich konnte natürlich noch kein Wort lesen, aber sowieso angefixt von einer Fernsehserie namens Captain Future, machten die Cover dieser Heftserie echt mächtig Eindruck auf mich und ich verbrachte so manches Wochenende damit, Heft für Heft aus dem Regal zu nehmen und stundenlang die tollen Titelbilder zu betrachten.
Diese Titelbilder waren allesamt von einem Künstler namens Johnny Bruck und die Heftserie hatte den Namen Perry Rhodan - Der Erbe des Universums.
Als ich schließlich 10 Jahre alt wurde, durfte ich die Teile dann auch endlich mit dem Segen meiner Mutter lesen. Ich glaube, meine Mama dachte damals, "das versteht der Junge eh noch nicht, das gibt sich wieder", tatsächlich las ich aber in den nächsten zwei oder drei Jahren die kompletten drei Regale (die Bände 1 - 850 waren das) durch und tauchte in ein sagenhaftes Universum ein.
Perry Rhodan, amerikanischer Astronaut und erster Mensch auf dem Mond (Pech gehabt, Herr Armstrong, aber 1961 hat noch keiner an sie gedacht), trifft in Band 1 bei seiner Mondlandung auf eine notgelandetes Raumschiff einer außerirdischen Rasse, reißt sich nach einigen Verwirrungen deren überlegene Technik unter den Nagel und verhindert damit dann mal gleich den auf der Erde drohenden Atomkrieg. Das klingt ziemlich pulpig, ist es nicht nur aus heutiger Sicht wahrscheinlich auch, aber als Zehnjähriger fährt man auf solche Lichtgestalten voll ab.
Tatsächlich wandte sich die Perry Rhodan-Serie aber ziemlich bald auch neuen Ufern zu: aus den ursprünglich geplanten 25 Heften wurden erst 50, dann 100, und schließlich immer mehr. Inhaltlich eint Rhodan darin die Erde zu einem Staatsgebilde, erkundet das gesamte Sonnensystem, setzt sich gegen außerirdische Invasoren zur Wehr, schafft schließlich auch den Sprung in ein anderes Sonnensystem und dringt immer weiter in die Galaxis vor. Ohne die ganze Perry-Serie nacherzählen zu wollen (da hätte ich auch was zu tun), durchzieht vor allem ein Thema alle Romane - die Freude am Neuen und Unentdeckten, den Aufbruch einer geeinten Menschheit zu den Sternen und ein Blick in eine Zukunft, die mir damals durchaus (er)lebenswert schien.
Mit dem Roman Nummer 1400 stieg ich schließlich Mitte der achtziger Jahre in die Erstauflage bei Perry Rhodan ein und lese seit dem Woche für Woche mit (naja, irgendwann bin ich dazu übergegangen, immer so zwanzig-dreißig Hefte anzusammeln und die en-bloc zu lesen).
Dieser Tage erschien nun der zweitausendfünfhundertste Band der Perry Rhodan-Serie. Ein Jubiläum (immerhin achtundvierzig Jahre kontinuierliches Erscheinen!), das man als solches durchaus würdigen kann und sollte, was es aber insgesamt auch sehr kritisch zu hinterfragen gilt.
Als die Perry Rhodan-Serie gestartet wurde, war mit Walter Ernsting, Karl-Herbert Scheer und kurze Zeit später auch mit Kurt Mahr und Hans Kneifel eine Riege an Autoren für die Romane verantwortlich, die neben aller Fantasie und SF-typischer Technikverliebtheit auch nie das große Ganze (ich nenne es mal pathetisch "die Vision") aus den Augen verlor und die Handlung in eine spannende Geschichte verpackte.
Leider hat der Zahn der Zeit auch bei Perry Rhodan genagt - im Laufe der Zeit kamen immer wieder neue Autoren hinzu (was per se ja nicht schlecht ist) und alte Autoren verließen das Team, nicht zuletzt, weil sie einfach verstarben. Die Perry-Erfinder Scheer und Ernsting sind längst tot, und auch von mir die als essentiell für die Serie angesehenen Autoren wie Kurt Mahr, Peter Griese, Thomas Ziegler oder der langjährig federführende Rhodan-Visionär Willi Voltz starben.
Mit dem Wegfall dieser Alt-Autoren, aber auch mit dem geänderten Konsumverhalten der Leser, ging natürlich zwangsläufig im Laufe der Jahre eine inhaltliche Umstrukturierung einher - und meines Erachtens blieb dabei leider "die große Vision" auf der Strecke.
Wo früher der Mensch und sein Platz im Kosmos im Mittelpunkt stand, dominieren jetzt Superintelligenzen und andere nicht mehr nachvollziehbare "hohe Wesenheiten" das Geschehen. Wo früher die Menschlichkeit und der Wille zu einem friedlichen Nebeneinander regierte, werden in der aktuellen Handlung in Nebensätzen Millionen von Lebewesen ausradiert. Niemand soll mich für einen weltfremden Pazifisten halten (naja, ein bissel bin ich das wahrscheinlich schon), ich mag schon die eine oder andere "ordentliche" Raumschlacht. Aber bitte mit Maß.
Viele große Ideen - z.B. auch die "höhren Wesenheiten" wie Kosmokraten und Chaotarchen oder Superintelligenzen oder die drei Ultimaten Fragen u.ä. - stammen tatsächlich noch von den Ur-Autoren wie Willi Voltz. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass diese Ideen jemals dafür gedacht waren, wirklich handlungstragend zu sein. Sie boten den oft zitierten Sense-of-Wonder, der für die Science Fiction so essentiell ist - aber eben dieser Sense-of-Wonder geht auch verloren, wenn man alles bis zum Letzten in der Handlung auslutscht und geradezu inflationär einsetzt. Die Handlung stagniert bei Perry Rhodan seit etlichen hundert Bänden, Ideenlosigkeit herrscht vor: zu Beginn taucht ein ultra-böser und ultra-überlegener Gegner auf, metzelt ohne Sinn und Verstand vor sich hin, bis unser Perry natürlich den am Ende zwar immer noch unbelehrbaren und ultra-bösen, dann aber ziemlich schwachbrüstig daher kommenden Gegner aus dem Weg putzt (zuletzt in Band 2499, wo mal eben eine 70 Millionen Jahre alte Superintelligenz von Herrn Rhodan persönlich umgenietet und abgefrühstückt wird).
Zur inhaltlichen Tristesse gesellt sich meines Erachtens allerdings in Person von einigen bestimmten neuen Autoren auch noch eine rein schriftstellerische Inkompetenz. Nun war Perry Rhodan sicherlich noch nie Hochliteratur, da muß man sich nichts vormachen. Allerdings bilde ich mir ein, bei Perry Rhodan früher auch sprachlich durchaus etwas mehr geboten bekommen zu haben, als die durchschnittliche Helmut-Rellergerd-Schreibe (straight from Neandertal), die z.B. in einer Heftchenserie wie John Sinclair vorherrscht.
Neuere Perry-Teamautoren wie z.B. Leo Lukas (der zwanghaft versucht witzig zu sein, was regelmässig in die Hose geht), Rainer Castor (sicherlich eine wandelnde Datenbank in punkto Rhodan-Wissen - leider lesen sich auch seine Romane wie ein Lexikon-Eintrag), Uwe Anton (die Hälfte jedes Romans besteht aus emotionalem Geschwurbel) und noch einige die ich mir jetzt spare mehr, verstehen es einfach nicht, spannende Unterhaltungsliteratur zu schreiben.
Ich würde mir wünschen, dass ab Band 2500 bei Perry Rhodan ein neuer Weg eingeschlagen wird - aber nach der Lektüre befürchte ich, dass dem nicht so sein wird. Der nächste Bösewicht kam schon an, das erste Gros an Menschen ist verheizt (O-Ton "Soldaten kann man ersetzen" - Das hätte MEIN Perry niemals gesagt!) und selbst die Superintelligenz ES, seit Anbeginn der Serie ein Mentor der Menschheit, sagt, dass er nicht in Perry Rhodans Haut stecken möchte. Tatsächlich gehts mir ganz genauso.

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